Heiß begehrtes Objekt
Alkoholfreie Biere werden in Deutschland seit rund 50 Jahren offensiv vermarktet. Damals wurden die – untergärigen – Biere mittels gestoppter Gärung hergestellt. Das Urteil der Konsumenten: Der Geschmack lässt zu wünschen übrig; das Gebräu sei zu süßlich, oft muffig und eigentlich nicht mit Bier zu vergleichen; so zumindest eingefleischte Biertrinker. Trotzdem war die Produktidee erfolgreich. Nicht zuletzt die Senkung der Promillegrenze im Straßenverkehr hat zu diesem Erfolg beigetragen. Alkoholfreies Bier galt als Notlösung für Autofahrer, die auf so etwas Ähnliches, wie Biergeschmack nicht verzichten wollten.
Von der Notlösung zum Lifestyle-Getränk
Erst die Einführung des »bleifreien« Weizen holte die alkoholfreien Biere aus ihrer engen Nische. Einen Riesenerfolg landete das Erdinger Weißbräu mit einer grandiosen Positionierungs-Strategie: AF Weißbier als perfekter Drink nach dem Sport. Wissenschaftliche Studien der Universität Weihenstephan sprachen von isotonischen Eigenschaften des alkoholfreien Weizenbieres. Erdinger nutzte dies geschickt aus. Und machte aus einem Nischenprodukt ein Szenegetränk für Sportler und sportlich aktive Menschen. Für Erdinger Weißbräu ist das alkoholfreie Bier zur tragenden Säule des Sortiments geworden.
IPA, Pale Ales, Stouts »ohne«
Oliver Wesseloh mit seiner Kehrwieder Kreativbrauerei und Sebastian Jackob vom Brauhaus Nittenau brachten 2015 die ersten alkoholfreien IPAs auf den deutschen Markt, sie wurden im Gemeinschaftssud im Brauhaus Nittenau mit einer neuen Hefeart hergestellt, die nur wenig Alkohol produzieren kann. Ihre Idee ist angekommen, viel Hopfen tut dem alkoholfreien Bier gut. Die beiden und viele andere kleine Brauereien haben bald auch andere Bierstile alkoholfrei interpretiert: Pale Ale, Stout oder Wit zum Beispiel.
Qualitätssprung made by Augustiner
Ausgerechnet die Münchner Traditionsbrauerei beweist, dass sich alkoholfreies Bier nicht hinter »vollwertigen« Bieren verstecken muss. 38 Jahre lang blieb das Sortiment der Münchener Kultbrauerei unverändert. Dann plötzlich, im März diesen Jahres, raste die Meldung förmlich durch die Medienlandschaft: Augustiner hat ein Alkoholfreies! Und was für eines!
Man habe es dem „Lagerbier Hell“ entwickelt und auf eine Kombination aus traditioneller Herstellungsart und modernster Anlagentechnik gesetzt, heißt es aus der Brauerei. Das Augustiner Alkoholfrei Hell aus der Braustätte an der Landsberger Straße erobert seither die Gaumen der Biertrinker.
In den Getränkemärkten ist das neue Bier selten zu bekommen. Manche unterstellen Augustiner eine künstliche Verknappung. Die Brauerei dementiert Ende Mai. Der unerwartete Erfolg habe alle angenehm überrascht, es sei der Brauerei kapazitätsbedingt nicht möglich, allen Bestellungen nachzukommen. Augustiner will die Produktion erhöhen.
Der Augustiner-Hype
Die Autorin dieses Artikels ist Bierfachfrau und Jurorin beim European Beer Star. Als solche kennt sie sich auch im Segment der Alkoholfreien aus und sie will es wissen: Also ist sie nach München gereist, in eines der Augustiner Gasthäuser und hat sich das Neue bestellt. Und siehe da: WOW! Sie liebt es: die elegante Hopfenblume, die Spritzigkeit, den fantastischen Trinkfluss, die Harmonie ... Dieses Bier zeigt: die Qualität von Alkoholfreien ist sprunghaft angestiegen.
Noch so eine Story, rund um die Erfolgsgeschichte des Augustiner Alkoholfrei Hell: Wider spielt sie im Augustiner-Wirtshaus. Eine kleine Männerrunde sitzt beisammen, jeder eine Halbe, vielleicht auch eine Maß hellen Gebräus vor sich. Die nächste Runde steht an. Einer der Männer bestellt, doch dieses Mal still und leise das Alkoholfreie. Die Kameraden, schwört er, haben es nicht bemerkt!
Für viele ist das Augustiner Alkoholfrei Hell das beste alkoholfreie Bier weit und breit. Die Mehrzahl der Rezensionen hier in der App sind positiv, wenige ziehen einen direkten Vergleich mit dem Lagerbier Hell und bewerten das alkoholfreie schlechter.
Muss »ohne« gleich schmecken wie »mit«
Warum vergleichen wir die Alkoholfreien überhaupt mit den alkoholhaltigen Pendants? Bei den Bierwettbewerben werden die »AFs« nicht umsonst in eigenen Kategorien geführt. Beim European Beer Star werden sogar derer drei ausgewiesen: Alkoholfreie Lagerbiere, Weizenbiere, Ales. Das sind je eigene Bierstile, die eine je eigene Betrachtung verdienen. Vergleiche sollten nur mit ihresgleichen stattfinden: Weizenbier AF aus der Brauerei X ist besser/weniger gut wie jenes aus der Brauerei Y.
Stimmt doch, oder? Wir sind gespannt auf Eure Meinung.
Foto: Augustiner@Instagram, Screenshot vom 21.08.24, 12 Uhr
Text: BR
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